Jugendagentur Heidelberg eG

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RNZ 30.04.2014
von Sebastian Riemer

Anlaufstelle für junge Menschen in schweren Lebenslagen bleibt bestehen

Die RNZ stellt drei Jugendliche vor, die darüber heilfroh sind

Es stand schlecht um die Kompetenzagentur letzten August. Die Finanzierung nach 2013 war mehr als unsicher, die Mitarbeiter waren verzweifelt. Am schlimmsten aber war die Ungewissheit für die jungen Menschen, denen die Kompetenzagentur hilft: Jugendliche, die durchs Raster gefallen sind, die ohne Schulabschluss oder Job, manchmal ohne Wohnung vor den Trümmern ihres Lebens stehen. „Wenn die Kompetenzagentur schließt, weiß ich nicht mehr weiter“, sagte Dennis damals.

Mitte August berichtete die RNZ über die prekäre Lage, über Dennis’ Probleme und Fortschritte, darüber, wie wichtig die Kompetenzagentur für viele junge Menschen ist. „Danach ging alles ganz schnell“, sagt Gerd Schaufelberger. Er leitet die Jugendagentur, die vor sieben Jahren die Kompetenzagentur gründete. „Das Telefon stand nicht mehr still. Stiftungen und Firmen wollten helfen.“ Das Ende ist abgewendet: Jetzt sieht alles danach aus, dass Schaufelberger und sein Team auch über Juni 2014 hinaus weitermachen können, wenn die Förderung durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) endgültig ausläuft. „Die Hälfte der Mittel bis Juli 2015 haben wir“, sagt Schaufelberg. Für die andere Hälfte werden noch Unterstützer gesucht (siehe Kasten). Wir stellen drei Jugendliche vor, die mithilfe der Kompetenzagentur langsam zurück ins Leben finden:

> Dennis sucht die letzte Chance: „Ich bräuchte nur eine einzige letzte Chance“, sagt Dennis. Der 22-Jährige hat einen langen Weg hinter sich: Im Mai 2012 schickte ihn der Richter – „Ich hatte Scheiße gebaut“ – zur Kompetenzagentur. Seitdem kämpft er mit Sozialarbeiterin Friederike Erbe um die Chance, eine Ausbildung machen zu können, am liebsten als Handwerker. Ohne Schulabschluss fast ein Ding der Unmöglichkeit. Rückschläge gibt es ständig: Dennis ist Diabetiker und hat Erwachsenen-ADHS. Mit Medikamenten hat er beides inzwischen im Griff. „Ich bin viel entspannter, disziplinierter, rauche seit vier Monaten nicht mehr.“ Das alles hat er Friederike Erbe zu verdanken, die ihm in allen möglichen Lebenssituationen half: bei der Wohnungssuche, bei Bewerbungen, bei seinem Schuldenproblem. „Frau Erbe nimmt mir so viel Last von den Schultern“, sagt Dennis, „ohne sie würde ich all das nicht schaffen.“ Aktuell laufen sechs Bewerbungen, er ist motiviert wie nie.

> Mareike trotzt neuen Rückschlägen: Mareike riss mit 15 zu Hause aus, lebte auf der Straße, in Obdachlosenunterkünften. Dann empfahl ihr das Jobcenter vor zwei Jahren die Kompetenzagentur. Die 21-Jährige fing sich, wollte einen Schulabschluss machen, eine Realschule in Neckargmünd gab ihr die Chance. Doch vom Jobcenter gab es kein Geld mehr, als sie an der Schule anfing. Von ihren Eltern bekommt sie nichts, also musste Mareike Bafög beantragen. Doch drei Monate kam kein Geld. Mit Geld aus dem Notfallfonds der Kompetenzagentur konnte sie ihre Miete bezahlen – die Schule aber musste sie nach zwei Monaten abbrechen. „Ich konnte es einfach nicht finanzieren.“ Für Mareike ein herber Rückschlag. „Es heißt immer, hierzulande sind die Bildungschancen gleich“, sagt Friederike Erbe, „aber das stimmt einfach nicht.“ Mareike hat sich aufgerappelt, jobbt jetzt auf Aushilfsbasis in einem Friseursalon – vermittelt durch die Kompetenzagentur. Mit der Chefin versteht sie sich gut, vielleicht kann sie dort sogar eine Ausbildung machen. „Rückschläge gibt’s“, sagt sie, „aber ich mache weiter!“

> Marco will seine Ängste besiegen: Marco hat ein Problem mit Pünktlichkeit, er kommt chronisch zu spät. Das mögen Arbeitgeber nicht. Der 24-Jährige lebt im Wichernheim und arbeitet in der dortigen Stuhlflechterei. Warum er so unpünktlich ist? „Lange wusste ich das nicht.“ Aber jetzt stellt er sich seinen Problemen, macht eine Therapie. Seine Schwierigkeit mit strukturierten Tagesabläufen hat mit tief sitzenden Ängsten zu tun. „Marco arbeitet gerade vieles auf, was in der Vergangenheit schief gelaufen ist“, sagt Sozialarbeiterin Erbe. Und Gerd Schaufelberger meint: „Marco ist ein Leuchtturm, was das angeht. Ganz viele, die zu uns kommen, bräuchten professionelle psychologische Hilfe – und Marco hat sich getraut, das anzunehmen.“ Für ihn ist es ein wichtiger Schritt in eine bessere Zukunft.

HINTERGRUND

Was leistet die Kompetenzagentur?
Die Kompetenzagentur kümmert sich um junge Menschen zwischen 15 und 27 Jahren, die oft viele Probleme zugleich haben: keine Ausbildung, kein Job, Krankheit, Probleme mit der Familie, Drogen. Es geht um Menschen, die durchs Raster fallen, die von den überlasteten Jobcentern nicht gemäß ihren Bedürfnissen betreut werden können. Menschen, die eine Zukunft suchen, sie aber nicht alleine finden. Geholfenwirdjedem,derProblemehat – ohne Anspruchsbedingungen, ohne Sanktionen. Die Sozialarbeiter helfen bei der Organisation des täglichen Lebens, bei Bewerbungen, bei der Kommunikation mit den Ämtern, sie vermitteln Schuldnerberatung oder Arzttermine. Aktuell betreuen drei Sozialarbeiter bei der Kompetenzagentur über 80 Jugendliche. Es gibt eine lange Warteliste. Zwei Drittel der jungen Menschen, die zur Kompetenzagentur kommen, sind arbeitslos. Nach der Hilfe durch die Sozialarbeiter haben zwei Drittel eine berufliche Perspektive: Sie machen eine Ausbildung, haben einen Job oder besuchen weiterführende Bildungseinrichtungen –undentlasten dieSozialkassen.

Wie kann man helfen?
Die Jugendagentur finanziert sichzum Großteil aus öffentlichen Zuschüssen. Diese allein können die Ausgaben der Kompetenzagentur allerdings nicht decken. Deshalb sucht die Jugendagentur sogenannte Zukunftssponsoren. Gesucht werden vier Silber- Sponsoren (2500 Euro pro Jahr), drei Gold-Sponsoren (5000 Euro) und zwei Platin-Sponsoren (7500 Euro). Im Gegenzug bietet das Team der Jugendagentur neben dem öffentlichen Werbeeffekt auch Teamtrainings, Walderlebnistage, Gesundheitsaktionen und Kommunikationstrainings. Jeder Sponsor wird Teil des Netzwerks, lernt andere Unterstützer, soziale Einrichtungen und natürlich Jugendliche kennen.Mit gutem Beispiel voran ging bisher das Heidelberger Unternehmen Biomex. Mehr Infos online unter www.jugendagentur-hd.de. rie

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