Jugendagentur Heidelberg eG

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RNZ 14.05.2014
von Steffen Blatt

Dieser Frage ging der Mieterverein bei einer Diskussionsrunde der Chapel an der Römerstraße nach - eine Diskussion ohne Wahlkampfkandidaten auf dem Podium.

Wenn es ein Thema gibt, das diesen an Themen so armen Kommunalwahlkampf beherrscht, dann ist es die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Dazu organisierte der Mieterverein am Montagabend eine Diskussionsrunde in der Chapel an der Römerstraße - und obwohl (oder gerade weil?) keine Gemeinderatskandidaten auf dem Podium saßen, war es eine hoch informative Veranstaltung. Experten berichteten, moderiert von RNZ-Redakteur Sebastian Riemer, aus anderen Städten und aus der Wissenschaft, Fachleute aus Heidelberg stellten die hiesige Situation dar.

> In München ist alles noch viel schlimmer: Das konnten die Zuhörer angesichts der Zahlen denken, die Beate Marschall, die Geschäftsführerin des Münchner Mietervereins, referierte: Für Eigentumswohnungen zahlt man dort für mittlere Lagen 4750 Euro pro Quadratmeter, in gefragten Quartieren geht es bis 6000 Euro. Die Durchschnittsmiete beträgt 15 Euro, in Innenstadtlagen sind es auch mal 38 Euro. Doch die Stadt tut auch etwas gegen die Wohnungsnot: Seit 1989 gibt es das Programm "Wohnen in München", das bislang für 115.000 neue Wohnungen gesorgt hat. Das hat seinen Preis: Für die fünfte Auflage des Wohnungsbauprogramms steht von 2012 bis 2016 ein Budget von 800 Millionen Euro zur Verfügung.

> Freiburg handelt: Die Studentenstadt im Breisgau ist eine der am stärksten wachsenden Kommunen in Deutschland, gleichzeitig sind die Einkommen niedrig, berichtete Manfred Wolf, der Vorsitzende des dortigen Mietervereins. Im Schnitt zahlen die Bewohner 44 Prozent ihres Einkommens für die Miete - hier ist Freiburg bundesweit Spitzenreiter. Darum hat die Stadt zusammen mit Interessengruppen, Verbänden und der Bürgerschaft ein Handlungsprogramm für die nächsten Jahre auf den Weg gebracht: So soll bis 2030 ein neuer Stadtteil mit über 7000 Wohnungen entstehen. Gleichzeitig soll auch im Bestand entwickelt, also nachverdichtet werden. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft soll 150 bis 300 geförderte Wohnungen pro Jahr schaffen, auslaufende Mietpreis- und Belegungsbindungen sollen verlängert werden. Für "soziale Randgruppen" will man Unterkünfte mit Einfachstandard bereitstellen. Außerdem sind Erhaltungssatzungen geplant, die in bestimmten Vierteln etwa die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verbieten, um die soziale Struktur zu erhalten. > Was Heidelberg tun sollte: Dazu sprach der Professor Andreas Strunk, ein Experte für Wohnungs- und Sozialwirtschaft. Er forderte die Kommunalpolitik auf, eine Stabsstelle einzurichten, die die verschiedenen Zuständigkeiten der Verwaltung bündelt. Derzeit kümmere sich die Fachstelle für Wohnungsnot in Heidelberg um die "Ärmsten der Armen". Laut Strunk sollte sie für alle Menschen zuständig sein, die Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu finden. "Diese integrierte Fachstelle braucht ein klares Mandat von der Kommunalpolitik", machte er deutlich.

> Die Situation in der Stadt: Christoph Nestor vom hiesigen Mieterverein lobte die Bürgerbeteiligung und den Masterplan für die Südstadt, der 70 Prozent geförderten Wohnraum in Miete oder Eigentum vorsieht. Für den Bedarf reichten aber weder Bahnstadt noch die ehemaligen US-Flächen aus. Nicolai Ferchl stellte alternative Wohnprojekte vor, die auch in der Südstadt zum Zug kommen wollen und die sich unter dem Dach von HD-vernetzt zusammengeschlossen haben. Ob Genossenschaften, Baugruppen oder ein selbstverwaltetes Studentenwohnheim: Man sei an einem lebendigen Stadtteil interessiert und wolle keinen Profit machen. Er warb für die Möglichkeit, auch auf diese Weise bezahlbaren Wohnraum zu schaffen - und kritisierte gleichzeitig die Stadtverwaltung, die mit Informationen knausere und ihm und seinen Mitstreitern das Gefühl gebe, eigentlich nicht als Partner willkommen zu sein. Gerhard Schaufelberger von der Jugendagentur wies auf einen Mangel an Wohnungen für Jugendliche und junge Erwachsene hin, die aus verschiedensten Gründen aus ihren Elternhäusern ausziehen müssen oder aus dem Gefängnis kommen. Sie bräuchten auch Unterstützung, um überhaupt selbstständig wohnen zu können. Jörg Schmidt-Rohr vom Verein für berufliche Integration berichtete über Notwohnungen für Menschen, die plötzlich ohne Bleibe sind. Zwei Drittel von ihnen seien in großen Wohnanlagen untergebracht, nur ein Drittel dezentral. "Eigentlich müsste das Verhältnis umgekehrt sein."

> Und die Kommunalpolitiker? Die waren anschließend zu Beiträgen aufgefordert. Und schnell wurden wieder die schon bekannten Konfliktlinien in Sachen Südstadt deutlich: Bunte Linke-Stadtrat Stadtrat Arnulf Weiler-Lorentz ist gegen den geplanten Abriss einiger Gebäude und würde lieber überall sanieren. Auch eine Nachverdichtung sieht er kritisch, hier gab Nestor aber contra: "Ohne Nachverdichtung kommen wir nicht auf die nötige Zahl an Wohnungen." SPD-Rat Karl Emer wies auf einen Antrag seiner Fraktion mit dem Auftrag an die Stadtverwaltung hin, ein "integriertes Handlungskonzept Wohnen" zu initiieren, während Beate Deckwart-Boller (Grüne) versprach, sich um ein Konzept für Notwohnungen zu kümmern. Gemeinderatskandidat Alexander Schestag (Piraten) plädierte für eine Mischung von Not-, Jugend- und barrierefreien Wohnungen, um eine Ghettobildung zu verhindern. Und Stadtrat Karl Breer (FDP) fasste zusammen, was sich durch diesen Abend geändert haben könnte: "Es ist ein altes Heidelberger Problem, zu lange im eigenen Saft zu kochen, anstatt mal in andere Städten zu schauen."

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